- Kusch: Das Reich in Nubien
- Kusch: Das Reich in NubienDurch die Schriftsteller der klassischen Antike trat das Reich von Kusch bereits früh in das Blickfeld Europas. Auch Reisende aus Europa gelangten bald in das Land am mittleren Nil, aber erst durch den Feldzug des türkischen Statthalters von Ägypten Mehmed (Muhammad) Ali im Jahre 1820 wurde Nubien Reisenden und Archäologen wirklich geöffnet. Das Gebiet vom 1. Nilkatarakt im Norden bis nach Sennar im Süden und vom Roten Meer im Osten bis nach Darfur und Kordofan sowie dem Gebirge Gilf Kebir im Westen bietet dabei ein komplexes und reiches Areal von Fundstätten, die von der Altsteinzeit bis in die christlich-islamische Zeit reichen. Ihre bedeutenden archäologischen, historischen und kulturgeschichtlichen Dimensionen konnte die Forschung allerdings bislang erst in Umrissen skizzieren.Wie für Ägypten ist auch für das Reich Kusch der Nil der bestimmende Faktor sowohl für die Landschaft als auch für das Leben der Menschen. Über 2000 km fließt er von Sennar am Blauen Nil bis nach Assuan, den beiden äußersten Punkten, die das Reich in seiner fast tausendjährigen Geschichte in Zeiten seiner größten Ausdehnung berührte. Anders als in Ägypten bringt er dem Land jedoch nur begrenzt Fruchtbarkeit, da die Nilüberschwemmung hier infolge der geologischen Verhältnisse wesentlich geringer ausfiel und damit weniger Menschen als in Ägypten ernährt werden konnten. Die Einwohnerzahl von Kusch dürfte wohl höchstens eine Million im Niltal erreicht haben. Andererseits war das Gebiet reich an Rohstoffen, vor allem an Gold, Kupfer, Bausteinen und anderen Produkten wie Weihrauch und Myrrhe, Edelsteinen, Elfenbein und edlen Hölzern, ferner an exotischen Tieren und Fellen wie auch an Arbeitskräften, kurz, an allem, was im Altertum bedeutsam und wertvoll war. Nachdem die Ägypter das Gebiet vom 2. bis zum 4. Katarakt gegen Ende des Neuen Reiches (um 1135 v. Chr.) infolge von äußeren Bedrohungen und innerer Instabilität als Kolonie aufgegeben hatten, blieben die ägyptischen Tempel und Siedlungen im Niltal sich selbst überlassen, sodass das Gebiet zur Provinz absank und sich dort archäologisch keinerlei Aktivitäten mehr nachweisen lassen.Die 25. Dynastie und NapataNach dem Rückzug der Ägypter bildete sich um 850 v. Chr. in el-Kurru in Obernubien, 15 km nördlich des Zentrums Napata am »heiligen Berg« Djebel Barkal, ein nubisches Machtzentrum heraus, dessen Herrscher ab der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Ägypten erobern und besetzen konnten, aber 664/663 v. Chr. infolge von Auseinandersetzungen in der Levante durch die Assyrer vertrieben wurden. Das kuschitische Königtum bestand danach weiter mit einer Nordgrenze am 2. Katarakt, aber abgesehen von verschiedenen Berührungen mit Ägypten blieb es ohne weiteren politischen Einfluss. Die enge Verbindung mit Ägypten hat das kuschitische Königtum nachhaltig geprägt. Aber wenn es auch äußerlich stark ägyptisiert erscheint, blieb es doch in seinen Grundzügen den einheimischen Traditionen verhaftet. Denn bei der Auswahl und Übernahme von Formen altägyptischer Kultur orientierten sich die Kuschiten an den vorhandenen einheimischen Bräuchen, Vorstellungen und Glaubensinhalten. Die napatanischen Könige, Nachfolger der 25. Dynastie, das heißt der Könige, die Ägypten beherrschten, residierten vermutlich schon hauptsächlich in Meroe, dem Hauptzentrum des späteren meroitischen Reiches, wenn auch ihre Hauptkultstätte der Djebel Barkal mit seinem Amuntempel blieb. Hier ließen sie sich für ungefähr 20 Generationen — von etwa 650 bis 290 v. Chr. — in Nuri auf der Westseite des Nils, wenige Kilometer stromauf vom Djebel Barkal, begraben. Nur von fünf Königen dieser Zeit sind annalenartige Inschriften erhalten geblieben, und die ägyptisch geschriebenen Zeugnisse werden für uns Heutige zunehmend schwerer verständlich.Die meroitische EpocheMit dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurde schließlich auch die Königsnekropole nach Meroe verlegt, und damit begann die meroitische Epoche. Sie unterscheidet sich von der vorangegangenen napatanischen in wesentlichen Aspekten. Während die napatanische Kultur mehr am pharaonischen Ägypten ausgerichtet war und ihre Bedeutung, vor allem die der Könige der 25. Dynastie, in der politischen Sphäre liegt, ist die meroitische Zeit von höchster kultureller Bedeutung. Die Berührung mit der griechischen Welt — ab 323 v. Chr. herrschten nach der Eroberung des Landes durch Alexander den Großen die makedonischen Ptolemäer in Ägypten — löste eine Renaissance und kulturelle Blüte der kuschitischen Kultur aus, die eine Mischung aus eigenständigen, pharaonischen und hellenistischen Komponenten darstellt. Als Folge eines jetzt weltweiten Handels, von dem auch Meroe profitierte, kam darüber hinaus neuer Reichtum ins Land.Der meroitische Herrschaftsbereich ist in seinen im Laufe der Geschichte wechselnden Ausdehnungen nicht gut bekannt. Mindestens das Gebiet bis Maharraqa im Norden, zeitweilig darüber hinaus bis zum 1. Katarakt, und bis Sennar im Süden gehörten dazu. Neben den Ackerbauern des Niltals bestand die Bevölkerung zu einem nicht unwichtigen Teil aus nomadischen Gruppen im Hinterland. Hier wurden im meroitischen Kernland zur minimalen Wasserversorgung in der Trockenzeit Hafire angelegt, große runde Becken, die an Ausgängen von Wadis die Wassermengen während der Regenzeit auffingen und speicherten. Dass die Bevölkerung in sich ethnisch homogen war, ist angesichts der Größe des Herrschaftsbereiches unwahrscheinlich. Ein nubisches Element mag, wie vielleicht aus vereinzelten Ortsnamen erschlossen werden kann, schon im Neuen Reich in Teilen Obernubiens ansässig gewesen sein. Ob die Meroiten selbst lediglich die aus dem Kernbereich um Meroe, der Insel von Meroe zwischen Atbara und Nil, stammende herrschende Oberschicht im Lande darstellten oder als Bevölkerungsgruppe auch im Bereich des Niltals ansässig waren, ist ungeklärt. Die Stadt Meroe selbst lag nördlich des 6. Katarakts in einer klimatisch günstigen Region mit Niederschlägen, an die sich ein reiches Grasland nach Osten anschloss, sodass sie sich mit ihren Tempeln, Palästen, Häusern und Werkstätten sehr gut zu einem urbanen Zentrum entwickeln konnte. Die Schlackenhaufen bei Meroe, die schwierig zu datieren sind, zeigen, dass hier Eisen produziert wurde. Als Gebrauchsmetall setzte sich Eisen jedoch sehr langsam durch: Erst in nachmeroitischer und insbesondere christlicher Zeit wurde es alltäglicher. Älteste archäologische Spuren stammen in Meroe aus dem 9. Jahrhundert v. Chr.Sprachloses Meroe — Ein Großreich ohne GeschichteDie Geschichte des meroitischen Reiches stellt sich, da die Texte in meroitischer Sprache noch zum größten Teil unverständlich sind, vornehmlich als Chronologie der Könige dar, die aufgrund von typologischen Merkmalen der königlichen Grabstätten aufgestellt, jedoch noch nicht abschließend behandelt wurde. 43 Generationen meroitischer Herrscher sind bekannt. Ihre Namen finden sich teils in ihren Pyramiden überliefert, teils wurden ihnen Grabstätten aufgrund von Indizien zugeschrieben. Nur einzelne chronologische Fixpunkte lassen sich festlegen und historische Ereignisse, die von griechischen und römischen Schriftstellern beschrieben wurden, hypothetisch mit Persönlichkeiten der meroitischen Geschichte verbinden. So berichtet der griechische Schriftsteller Diodor im 1. Jahrhundert v. Chr. von dem meroitischen König Ergamenes als einem Zeitgenossen Ptolemaios'II. (282—246 v. Chr.). Dieser König habe griechische Bildung genossen und Philosophie studiert und habe sich als erster König der »Äthiopen« (die »mit dem schwarzen Gesicht«, wie die Griechen die Völker südlich des 1. Katarakts bezeichneten) dem von den Priestern angeordneten rituellen Königsmord widersetzt. Wenn dieser König Ergamenes mit dem meroitischen König Arqamaniqo (oder Arakakamani) identisch ist, der sich als erster König in Meroe bestatten ließ, könnten religiöse Richtungsänderungen die Verlegung der Königsnekropole bewirkt haben.Schwierigkeiten in Ägypten — Möglichkeiten für MeroePtolemaios I. (323—282 v. Chr.) hatte, wie aus der Satrapenstele hervorgeht, einen Feldzug gegen das Land Irem geführt, das mit guten Gründen in dem großen Goldminengebiet des Wadi Allaqi/Wadi Gabgaba anzusetzen ist, und spätestens ab Ptolemaios II. hatten sich die Ptolemäer den Zugang zu den Goldminen des Wadi Allaqi in Unternubien gesichert. Die ägyptische Grenze wurde von Assuan wieder nach Süden vorgeschoben und die »Dodekaschoinos« (Zwölfmeilenland), das Land von Assuan bis Maharraqa, annektiert und in der Folgezeit mit Tempelbauten versehen. Aber nicht nur die Verfügung über die Goldminen und der bessere Zugang zu den begehrten afrikanischen Produkten, sondern auch die Notwendigkeit, Kriegselefanten, vornehmlich von der Küste des Roten Meeres, zu beschaffen, spielten bei dem Interesse der Ptolemäer am Süden eine Rolle. Ägypten nahm daher ab 274 v. Chr. beträchtlichen Einfluss auf das Gebiet bis zum 3. Katarakt. Aber um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. restaurierte König Amanislo, der Nachfolger von Arqamaniqo, den Tempel von Semna, was vermutlich als eine politische Maßnahme gedacht war, um den südlichen Teil von Unternubien stärker an Meroe anzubinden. Einer der unmittelbaren Nachfolger von Amanislo war Arnechamani, der den mit ägyptischen Inschriften versehenen Löwentempel von Musawwarat es-Sufra erbauen ließ. Da sich sein Thronname an dem Ptolemaios'IV. (222—205 v. Chr.) orientierte, waren die beiden Herrscher wohl Zeitgenossen. Mit seinem Titelzusatz »geliebt von Isis« erhob Arnechamani vermutlich politisch Anspruch auf das Zwölfmeilenland, das zum Tempel von Philae, dem Hauptkultort der Göttin Isis, gehörte. Der Nachfolger Arnechamanis, Arqamani (Ergamenes II.), der als Prinz im Löwentempel abgebildet ist, konnte schließlich von inneren Auseinandersetzungen in Ägypten profitieren. Denn als unter Ptolemaios IV. in Oberägypten ein Aufstand ausbrach und die Thebais sich lossagte (207/206—186 v. Chr.), unterstützten die Meroiten die Aufständischen mit Truppen, und Arqamani nutzte das Machtvakuum, um seine Grenze bis nach Assuan vorzuschieben. Er ist in Philae belegt und baute an den Tempeln von Dakka und Debod, ebenso sein Nachfolger Adichalamani. Neben dem Ausbau der Verwaltung ergriff Meroe weitere Maßnahmen für eine aktive Siedlungspolitik in Unternubien. Als dann allerdings die oberägyptische Revolte im Jahr 186 v. Chr. durch Ptolemaios V. unterdrückt wurde, endete auch die meroitische Herrschaft im Zwölfmeilenland. Da der Aufstand aber immer wieder aufflammte und endgültig erst 163 v. Chr. niedergeschlagen werden konnte, kam es zwischendurch mehrfach zu kleineren meroitisch-ägyptischen Konflikten. Danach lag die ägyptische Südgrenze wieder am 2. Katarakt. Die Ptolemäer scheinen die Niederschlagung des oberägyptischen Aufstandes geradezu als Sieg über Meroe aufgefasst zu haben, denn auf dem Pylon des Isistempels von Philae wurden die nubischen Gaue, darunter auch Meroe und andere südliche Orte, als Gabenbringer dargestellt. Starke Garnisonen wurden in Buhen und auch in Elephantine hinterlassen, um die äthiopischen Bevölkerungsgruppen in Unternubien zu kontrollieren. Aber das Gebiet südlich von Maharraqa ließ sich nicht halten und wurde im ausgehenden 2. Jahrhundert v. Chr. wieder meroitisches Hoheitsgebiet.Der Niedergang des ReichesDer Verlust Unternubiens nach 186 v. Chr. scheint trotz des übertriebenen Siegesgebarens der Ptolemäer für Meroe kein Krisenmoment dargestellt zu haben. Die Beziehungen zu Ägypten wurden zumindest auf kultureller Ebene beibehalten, wobei der meroitische Goldreichtum sicher eine nicht geringe Rolle spielte. Der griechische Schriftsteller Diodor traf zwischen 60 und 56 v. Chr. meroitische Gesandte in Ägypten, und unter Ptolemaios XI. und Kleopatra VII. (80—30 v. Chr.) bestanden offenbar regelmäßige Kontakte zwischen beiden Mächten. Als der Versuch Kleopatras VII. gescheitert war, Ägyptens Unabhängigkeit gegen Rom zu verteidigen, und die Römer nach einem Aufstand der Thebais und Nubiens ein Protektorat bis zum 2. Katarakt einrichteten, war dies für Meroe offenbar unannehmbar. Denn als sich der Präfekt Aelius Gallus 25/24 v. Chr. mit einem Großteil der Armee in Arabien aufhielt, versuchten sie, das verlorene Territorium wiederzugewinnen. Assuan und Philae wurden besetzt und Statuen des Kaisers Augustus niedergerissen. Gaius Petronius, der Nachfolger des Aelius Gallus, zwang jedoch alsbald die zurückweichenden Meroiten bei Dakke zur Schlacht, die sie wegen ihrer schlechten Bewaffnung verloren. Die meroitische Festung von Qasr Ibrim wurde eingenommen, und nach römischen Quellen ist Petronius bis nach Napata vorgedrungen, wo er mit Gesandten der Kandake, der Königsmutter, verhandelte. Über die Identität dieser Kandake und ihres Sohnes, der sich beim Heer befand, ist viel gerätselt worden; man hat die beiden für Amanirenas und den paqar (Heerführer?) Akinidad gehalten, aber die Kandake auch mit Königin Amanischacheto gleichgesetzt, deren Goldschatz sich heute in Berlin und München befindet. 21 v. Chr. schlossen Augustus und die Meroiten Frieden auf Samos. Das Zwölfmeilenland verblieb bei Rom, das Gebiet nilaufwärts bis zum 2. Katarakt kam wieder zu Meroe und wurde wie zuvor der Verwaltung eines meroitischen Vizekönigs unterstellt, der den aus dem Altägyptischen hergeleiteten Titel »Pesato«, »Königssohn«, trug. Ein 200 Jahre dauernder Friede folgte darauf. Allerdings sollte vermutlich eine Expedition, die Kaiser Nero nach Meroe ausschickte und die womöglich den Sudd, etwa 1000 km südlich von Meroe, erreichte, das Land auskundschaften. Aber ein Eroberungsversuch fand, womöglich auch wegen anderer Unruhen im Römischen Reich, nicht statt. Im Süden hingegen war Meroe offenbar im 1. Jahrhundert n. Chr. in Kämpfe verwickelt. Vielleicht handelte es sich bei den Gegnern um Noba, Wüstennomaden, die später ihren Teil zum Untergang des Reiches beitragen sollten. Eine Gefangenenstatuette aus dem Palastkomplex von Meroe stellt nach ihrer Aufschrift einen König der Noba dar. Auf Kämpfe im Süden deutet auch das Siegesdenkmal des Schorakaror, eines der Nachfolger von König Natakamani und Kandake Amanitore, beim Djebel Qeili hin, wenn es nicht ganz anders zu deuten ist, und auch die Reliefs am »Sonnentempel« in Meroe bilden südliche Feinde ab. Das Paar Natakamani und Amanitore (1. Jahrhundert n. Chr.) hat die größte Bautätigkeit in Kusch entfaltet und zeigt damit den Reichtum, über den Kusch verfügte. Es errichtete den Löwentempel in Naqa sowie den dortigen Amuntempel, baute in Meroe, am Djebel Barkal und in Amara.Kriegerische Stämme: Blemmyer und NobaIm 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. verstärkte sich wieder das meroitische Interesse am Norden. Dies hängt womöglich mit dem Aufstieg des äthiopischen Reiches von Aksum und mit Altsüdarabien zusammen; beide Machtzentren schlossen in der Folge Meroe vom Handel mit exotischen Produkten nahezu aus. Um 253 schickte König Teqorideamani noch einen Gesandten nach Rom, und für die Jahre 253, 260 und 265 sind meroitische Gesandtschaften nach Philae unter der Leitung des Vizekönigs belegt. Verhandlungsgegenstand mögen die Blemmyer, äußerst kriegerische Stämme aus den Bergen vom Roten Meer, oder auch die Sicherheit der Thebais gewesen sein. Im Jahr 298 zog Kaiser Diokletian dann die ägyptische Südgrenze bis Assuan zurück, was vielleicht aber nur die Anerkennung eines Status quo war. Denn der meroitische Beamte Tami konnte schon 260 n. Chr. einen Priester in Philae in sein Amt einführen, eine offizielle Handlung, die gewöhnlich der römische Präfekt vornahm. Allerdings beunruhigten die Blemmyer auch das Niltal so stark, dass dies mit ein Grund für die Rückverlegung der ägyptischen Grenze nach Assuan gewesen sein könnte. Mit dem Blemmyerproblem blieben nun die Meroiten zunehmend allein. Spätestens, als die Blemmyer um 370 durch immer wiederkehrende Überfälle besonderen Terror ausübten, dürfte die meroitische Herrschaft in Unternubien ein Ende genommen haben. In Meroe selbst hören um die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. auch die Pyramidenbestattungen auf. Eine Inschrift des aksumitischen Königs Esana berichtet von einem Feldzug des Königs gegen die Noba, der wahrscheinlich in die Zeit zwischen 360 und 370 n. Chr. zu datieren ist. Nach diesem Text war das Reich von Kusch zu dieser Zeit bereits zerfallen und nur noch auf den nördlichen Teil der Insel von Meroe beschränkt. Schon unter dem Nachfolger Esanas scheint Kusch dann nicht mehr existiert zu haben. Der Hauptgrund für den Niedergang des Reiches dürfte im Auftreten der Noba zu sehen sein, die den Meroiten Territorien abgenommen hatten. Dazu kam aber als weiterer Faktor noch die Verarmung Ägyptens hinzu, die den Handel stark beeinträchtigte. Mit der Einführung des Kamels als Nutztier besaßen die Wüstennomaden nun auch einen größeren Aktionsradius und legten eine verstärkte Militanz an den Tag. Das Monopol für exotische Waren, das Meroe lange Zeit besessen hatte, war zudem durch Südarabien und Aksum gebrochen worden, sodass die Grundlagen für den Fortbestand des Reiches, das das pharaonische Ägypten und schließlich auch das Römische Reich überlebt hatte, ausgehöhlt waren. Die nachfolgende Ballanakultur in Unternubien und die nachpyramidalen Fürstenfriedhöfe Obernubiens sind noch deutlich von der meroitischen Kultur geprägt, bis Nubien im 6. Jahrhundert n. Chr. mit den christlichen Reichen von Nobatia, Makuria und Alodia in eine ganz neue Epoche eintritt.Prof. Dr. Karola Zibelius-ChenGrundlegende Informationen finden Sie unter:Ägypten zur Zeit der PharaonenDer Löwentempel von Naq'a in der Butana (Sudan ), Beiträge von Ingrid Gamer-Wallert u. a., 4 Bände Wiesbaden 1983.Musawwarat es Sufra, herausgegeben von Fritz Hintze, Band 1: Der Löwentempel, Teil 1: Textband. Berlin 1993.Török, László: Geschichte Meroes. Ein Beitrag über die Quellenlage und den Forschungsstand, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, herausgegeben von Hildegard Temporini und Wolfgang Haase, Teil II, Band 10, 1. Berlin u. a. 1988. S. 107-341.Török, László: Der meroitische Staat. Untersuchungen und Urkunden zur Geschichte des Sudan im Altertum, Band 1. Berlin-Ost 1986.Welsby, Derek A.: The Kingdom of Kush. The Napatan and Meroitic empires. London 1996.
Universal-Lexikon. 2012.